Ein erster Streifzug durchs Programm

10. Oktober 2017 | By | Add a Comment

„Mein Motto lautete: ,Halte dich nicht an Tatsachen, sondern an die Wahrheit.‘“ Das antwortete Colson Whitehead auf die Frage, wie viel in seiner Underground Railroad reine Fiktion sei. Whitehead erzählt darin von der Sklaverei im Amerika des 19. Jahrhunderts – und Wahrheit bedeutet für ihn, dass er den Code für das damalige Fluchtnetzwerk wörtlich nimmt: Die metaphorische Underground Railroad wird in seinem Roman real, es gibt unterirdische Bahnhöfe und Stationen, Tunnel, Treppen und Türen, durch die versklavte Schwarze von Fluchthelfern in die Freiheit geschleust werden.

Colson Whitehead ist zu Gast im Literaturhaus. Dass er mit Underground Railroad auch perfekt zum Motto des forum:autoren Alles Echt. Alles Fiktion passt, zeigt zweierlei: Die Programme des Literaturfests sind dieses Jahr eng aufeinander abgestimmt – und Doris Dörrie setzt ein brisantes Thema, das (nicht nur) Kreative und Intellektuelle seit jeher umtreibt: Wie Imagination und Wirklichkeit in unserer global vernetzten Welt zueinander stehen, ist eine der zentralen Fragen dieses Literaturfests.

Literaturfest 2017 (Foto: Juliana Krohn)

So durchleuchten Doris Dörrie und Olli Dittrich beim Themenabend Doku oder Dichtung Illusionen in medialen Inszenierungen, während Wigald Boning bei der 58. Münchner Bücherschau im Gasteig von seinen real erlebten großen und kleinen Abenteuern beim 206-tägigen Wildcampen in der Natur berichtet. Der Filmemacher Oskar Roehler rechnet in seinem Buch Selbstverfickung gnadenlos mit der Medien- und Konsumgesellschaft ab, und der Politikwissenschaftler Martin Schäuble hat für seinen Roman Endland ein Szenario in Deutschland erdacht, dass von der politischen Realität (fast) überholt wurde. Sven Regener untersucht in seinem aktuellen Roman Wiener Straße einmal mehr, was Menschen auf ihrem Weg nach Berlin widerfährt, Salman Rushdie entlarvt in seinem scharfsinnigem Gesellschaftsporträt Golden House den amtierenden US-Präsidenten als Comicfigur, und Ingo Schulze und Frank Witzel stellen sich mit ihren neuen Werken der provokanten Frage: Alles erfunden?

Auf wie unterschiedliche Arten sich viele der eingeladenen Schriftstellerinnen und Schriftsteller mit der eigenen Herkunft und Ichwerdung beschäftigen, beleuchten wir in einem eigenen Beitrag. Auch der das forum:autoren flankierenden Reihe Filme lesen widmen wir in den kommenden Wochen eine Ausgabe – ebenso dem Podium über Audio-Storytelling oder den Graphic Novels und Illustrationen auf dem Literaturfest, beispielsweise von Paul Maar.

Und wer jetzt behauptet, dass es so etwas wie das Sams doch nie und nimmer geben kann, empfehlen wir einen Besuch im Gasteig: Dort beweist der große Geschichtenerzähler kurz vor seinem 80. Geburtstag, dass auch Wünsche wahr werden können: Ein neues Sams ist da. Und das ist eine unumstößliche Tatsache!

(Tina Rausch, Literaturfest Redaktion)

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