Über Sprache(n) reden

4. November 2016 | By | Add a Comment

5889720469_f0c7911794_zLiteratur lebt von mannigfaltigen Perspektiven, ungewohnten Blickwinkeln, Facettenreichtum und Vielstimmigkeit. Was wäre daher ein Literaturfestival ohne Übersetzerinnen und Übersetzer? Ohne ihre akribische Arbeit blieben uns viele große literarische Werke verschlossen. Doch funktioniert das wirklich – fremdsprachige Literatur verständlich zu machen? Ein Beitrag über die Sprachenvielfalt beim Literaturfest und Kannitverstan, der Übersetzertag beim forum:autoren.

Host mi?

„Mein Vater sagt, dass nichts in eine andere Sprache übersetzt werden könne, kein Ausdruck besitzt eine Entsprechung, jedes Wort verliert sich und geht verloren“, schreibt Senthuran Varatharajah in seinem Roman Vor der Zunahme der Zeichen. Der in Sri Lanka geborene und hierzulande aufgewachsene Schriftsteller ist am ersten Wochenende des forum:autoren zum Symposion Lasst uns über Sprache reden … eingeladen. Wie spricht Europa?, lautet die Frage an das Abschlusspanel. Gemäß dem diesjährigen Motto ein wort gibt das andere führt von dort eine direkte Linie zum zweiten Wochenende. „Denk ich an Europa, denk ich an Shakespeare“, sagt Alida Bremer. Die Übersetzerin und Autorin ist Jury-Mitglied für den Leipziger Buchpreis zur Europäischen Verständigung und hält auf Einladung der Kuratorin Elke Schmitter den Eröffnungsvortrag beim Übersetzertag Kannitverstan.

Kannitverstan. Wie bitte?!

Mit einer großen Veranstaltung rund ums Literaturübersetzen bringt der Deutsche Übersetzerfonds (DÜF) Jahr für Jahr die Praktiker des Übersetzens und das Berliner Publikum zusammen. Themen waren unter anderem die Neuübersetzung der Klassiker, das Bergwerk der Sprache, die Fremde Sprachlust oder das Übersetzen als interpretierende Kunst. Mit Kannitverstan macht der DÜF in diesem Jahr Station beim Literaturfest München. Elke Schmitter, die das Metier als Kritikerin, langjährige Jurorin beim Deutschen Übersetzerfonds, aber auch aus eigener Übersetzungserfahrung gut kennt, und Marie Luise Knott (Kritikerin, Autorin, Übersetzerin und DÜF-Vorstandsmitglied) bewegen sich in ihrem Programm in die Grenzbereiche des Übersetzens.

Der Titel legt es nahe: Kannitverstan untersucht und hinterfragt in Vorträgen, Gesprächen und Diskussionen Potenziale, Chancen und Barrieren des (Nicht-)Verstehens. Frank Günther führt aus dem Literaturhaus München hinein in Shakespeares Irrgarten, Gunhild Kübler in das Massachusetts des 18. Jahrhunderts, Christian Hansen und Stefan Weidner debattieren mit Elke Schmitter über Verständnisterror und Selbstfremdmachung. Einen ganz besonderen Weg des Verständlichmachens beschreitet Hanns Zischler mit seinem Dichtungschor: Er verteilte die Verse von zumeist übersetzten Dichter_innen wie Emily Dickinson, Shakespeare oder W. H. Auden auf fünf bis sieben Stimmen. Die von Einsätzen und Pausen geprägten Sprechpartituren trägt er als lyrisches Zwischenspiel gemeinsam mit Schauspielstudent_innen vor. Auf unserer Website gibt’s Infos zum gesamten Programm sowie zu den Themen der Vortragenden.

Sprachraum-Reise

Hanns Zischler wird dazu beitragen, den hierzulande weitgehend unbekannten russischen Lyriker Leonid Aronson ins Licht zu rücken: Am Montag, den 15. November liest er mit dem Slawisten Ilja Kukuj im Lyrik Kabinett Aronsons Gedichte auf Deutsch und im Original. Johanna Renate Döring spricht über dessen Leben und Christian Zehnder über die Kunst, ihn zu übersetzen. Die Russisch-Übersetzerin Ganna-Maria Braungardt komplettiert wiederum den Abend Sprache und Poesie in Diktaturen mit den beiden Nobelpreisträgerinnen Swetlana Alexijewitsch und Herta Müller: So wie sie sonst Alexijewitschs Literatur ins Deutsche überträgt, wird sie am Freitag, den 11. November der Autorin selbst ihre Stimme leihen. Das sind nur zwei Beispiele für Übersetzer_innen, die uns auf dem Literaturfest München den Zugang zu fremdsprachigen Autor_innen, deren Werk und Poetik ermöglichen – sei es aus dem Englischen, Französischen, Griechischen, Arabischen oder Kurdischen.

Sprach-Klangwelten in der Bänkelbar

Wer sich einmal voll und ganz dem Klang fremder Sprachen hingeben will, sollte sich die Bänkelbar im Hofspielhaus nicht entgehen lassen: An drei Abenden präsentieren Schriftsteller_innen, Musiker_innen sowie Vokalkünstler_innen im Zehnminutentakt gesprochene und gesungene Lyrik aus verschiedenen Ländern und Kulturen. Unter anderem mit dabei: die Neuseeländerin Hinemoana Baker mit maorischen Wurzeln, die Belgierin Maud Vanhauwaert, Nishad Phatak aus Indien, der Kolumbianer Erik Arellana Bautista und die Tunesierin Najet Adouani.

Tina Rausch, Literaturfest Redaktion

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